Liebe Ge­mein­de­mit­glie­der, liebe Freun­din­nen und Freunde der Georgengemeinde,

Was sind das für selt­same Zeiten!? Nor­ma­ler­weise würde ich den Sams­tag­nach­mit­tag im Büro ver­brin­gen und schon einmal mit den Vor­be­rei­tun­gen für den Sonn­tags­got­tes­dienst be­gin­nen. Statt­des­sen lese ich die immer neuen Ver­laut­ba­run­gen und Hand­lungs­an­wei­sun­gen und frage mich, was das für ein Früh­ling werden wird: ganz ohne Got­tes­dienste zum Kar­frei­tag und zu Ostern.

Ich frage mich, wie das gehen soll: Be­er­di­gun­gen ohne Be­er­di­gungs­ge­spräch, nur am Grab und nur ganz kurz. Wie kann ich unter sol­chen Um­stän­den für andere da sein. Ich frage mich, wie es mit der Kon­fir­ma­tion werden wird und wie unsere Ab­itu­ri­en­ten ihr Abitur hin­be­kom­men. Wie viele werden viel­leicht auch aus un­se­rer Ge­meinde am Virus ster­ben? Was ist mit denen, die ihre Arbeit ver­lie­ren oder die als al­lein­er­zie­hende Mütter oder Väter nicht wissen, wo das Kind be­treut werden kann? Was wird aus den Flücht­lin­gen in Grie­chen­land und denen an der türkisch-griechischen Grenze, die schutz­los der Kälte und dem Virus aus­ge­lie­fert sind?

Gleich­zei­tig er­füllt mich das, was ich sehe und höre, mit Demut. So ein klei­nes Ding zwingt eine Volks­wirt­schaft in einem der reichs­ten Länder der Welt in die Knie. Früher hat man in sol­chen Zeiten ge­fas­tet, ge­be­tet und über das Leben nachgedacht.

Viele Men­schen sind zu Hause, die Ge­schäfte in der In­nen­stadt sind ge­schlos­sen, die Stadt wirkt wie aus­ge­stor­ben. Diese Wochen for­dern uns heraus und das fängt gerade erst an. Eine Menge ge­wohn­ter Kon­takte gibt es plötz­lich nur noch te­le­fo­nisch. Fa­mi­lien (er)finden sich ganz neu. Eltern haben Pro­bleme, die Be­treu­ung der Kinder zu or­ga­ni­sie­ren, be­son­ders Al­lein­er­zie­hende wissen kaum weiter. Meine Pfle­ge­toch­ter ächzt unter den schu­li­schen Auf­ga­ben, die in der Schule in­mit­ten ihrer Freun­din­nen ein­fach mehr Spaß machen. Ältere drohen noch ein­sa­mer zu werden. Auch Angst um die be­ruf­li­che Zu­kunft von Men­schen geht um. Und nie­mand weiß, was das alles lang­fris­tig für unsere Land, für Europa und für unsere Welt be­deu­ten wird.

Aber ich erlebe auch eine Menge Zu­ge­wandt­heit. Wild­fremde Men­schen wün­schen ein­an­der Ge­sund­heit. Schü­le­rin­nen er­klä­ren sich bereit, Kinder zu be­treuen. Ein Ge­flüch­te­ter aus un­se­rem Verein bietet über Whats­App seine Hilfe an. Wir brau­chen ein­an­der! Wir helfen einander!

Das Kir­chen­ge­mein­de­le­ben steht still. Wir be­fol­gen die be­hörd­li­chen Vor­ga­ben. Es gibt keinen Un­ter­richt, keine Grup­pen­tref­fen, kein Chor­sin­gen, keine Kon­fir­man­den­fahrt, keine Got­tes­dienste. Aber wir möch­ten Sie trotz­dem ein­la­den, denn wir sind trotz allem Ge­mein­schaft Jesu Christi.

 

An jedem Abend um 19.30 Uhr werden die Glo­cken läuten und zum Gebet rufen. Auch wenn Sie lange nicht mehr ge­be­tet haben: nehmen Sie sich ein paar Mi­nu­ten Zeit. Stel­len Sie eine Kerze ins Fens­ter, als Zei­chen der Ver­bun­den­heit mit Nach­barn und Freun­den und mit an­de­ren Be­ten­den. Spre­chen Sie ein paar Worte.

Bitten Sie um Gottes Frie­den und um seine Hilfe. Denken Sie einen Moment an alle, die schon ge­stor­ben sind, an die Trau­ern­den, an die Er­krank­ten, an die die Angst um das Leben von An­ge­hö­ri­gen haben, an uns alle. Auch wenn wir uns eine Zeit­lang nicht sehen werden, können wir uns doch im Blick behalten.

 

An jedem Sonn­tag gibt es in Funk und Fern­se­hen Got­tes­dienstan­ge­bote. Gerade in diesen Wochen werden diese vielen Halt geben. Schal­ten sie sich mit hinein. Auch unsere Kir­chen­glo­cken werden wie immer zum Got­tes­dienst rufen. Auch ich werde dann die Hände falten und an Euch alle denken. Bleibt be­hü­tet! Bleibt gesund! Gott schenke uns allen, dass diese Zeiten unsere Ge­mein­schaft und un­se­ren Glau­ben stärken.

 

Eure / Ihre Pas­to­rin Anja Lünert